Gedichte verbessern: Die Weide

Gedichte verbessern:

Die Weide

Auf die Gefahr hin, als kleiner Hund zu erscheinen, der die Markierungen eines größeren überpinkelt, sollen in dieser Reihe Gedichte umgeschrieben werden. Wir beginnen mit Rainer Malkowski. Wuff.

Gedichte verbessern:

Die Weide

Auf die Gefahr hin, als kleiner Hund zu erscheinen, der die Markierungen eines größeren überpinkelt, sollen in dieser Reihe Gedichte umgeschrieben werden. Wir beginnen mit Rainer Malkowski. Wuff.

Hier Malkowskis Original aus Was für ein Morgen. Gedichte:

Schöne seltene Weide
Manchmal, nach einem Herbststurm,
wenn die Luft still und gefegt ist,
gehe ich im Garten umher und zähle
die abgeschlagenen Äste.
Nur die Weide zeigt keine Veränderung.
Ich bewundere sie lange:
nicht immer sieht es so schön aus,
wenn die Biegsamkeit überlebt.

Hier, Zeile für Zeile, die Gründe für meine Änderungen. Die überarbeitete Version steht am Ende des Artikels.

 

Schöne seltene Weide
Mir scheint, dass „schön“ und „selten“ die Pointe des Gedichts vorwegnehmen, das dadurch fast wie eine Fußnote wirkt. 

 

Manchmal, nach einem Herbststurm,
  „Manchmal“ bedeutet, dass es mehrfach geschieht. Dabei reicht ein einziger Gang in den Garten, um die Beobachtung zu machen. Außerdem kommen Herbststürme bereits manchmal vor, was „manchmal“ überflüssig macht.

 

wenn die Luft still und gefegt ist,
  Eine schöne Idee, dachte ich. Aber ich weiß nicht, irgendwie höre ich hier zur sehr den lyrischen Finderstolz heraus. (Nicht, dass wir den nicht alle hätten.) Und ich bin mir nicht sicher, ob die Reihenfolge der Adjektive stimmt.

 

gehe ich im Garten umher und zähle
  Was fügt das Umhergehen dem Zählen hinzu? Es wirkt verträumter als nötig, zumal mit dem Doppel-manchmal oben.

 

die abgeschlagenen Äste.
Nur die Weide zeigt keine Veränderung.
  Das kriegen wir kürzer hin!

 

Ich bewundere sie lange:
  Hier bin ich unsicher: Kann man überhaupt kurz bewundern? Und wenn doch: muss es gerade in dieser Sache so ausdauernd sein? 

 

nicht immer sieht es so schön aus,
wenn die Biegsamkeit überlebt.
  Ein prima Schluss und ich fände ihn einladender als Frage.

Und hier die geänderte Version – halb Haiku, halb Brecht und, Wunder der Lyrik, halb Rainer Malkowski:

Die Weide
Nach dem Sturm
zähle ich im Garten
die abgeschlagenen Äste.
Nur die Weide steht unversehrt.
Staunend denke ich:
Ist es immer so schön,
wenn die Biegsamkeit überlebt?