Höflichkeit und Takt

Höflichkeit und Takt

In einem Film von Truffaut findet sich ein schönes Beispiel für den Unterschied von Höflichkeit und Takt.

Höflichkeit und Takt

In einem Film von Truffaut findet sich ein schönes Beispiel für den Unterschied von Höflichkeit und Takt.

Eine Szene in einem Film. Ein Herr betritt seine Suite. Als er die Tür zum Badezimmer öffnet, sieht er zu seiner Überraschung eine Dame, die sich entkleidet. (Es ist ein französischer Film.) Als Gentleman hat er zwei Möglichkeiten. Wenn er höflich ist, schließt er die Tür mit den Worten:

 

„Pardon, Madame!“

 

Ist er hingegen taktvoll, dann könnte er sagen:

 

„Pardon, Monsieur!“.

 

Takt setzt mehr voraus als Höflichkeit. Er fordert mehr als das Wissen darüber, was sich gehört. Takt verlangt ein besonderes Urteilsvermögen ein Feingefühl, das sich nicht systematisch erlernen lässt. Zwar fallen uns leicht Beispiele für taktvolles Verhalten ein: So würde man niemanden, dem dies zu Ohren kommen könnte, als „älteren Herren“ bezeichnen, sondern einfach als einen Herren. Oder man nähme im Café nicht den letzten leeren Stuhl von einem Tisch, an dem jemand alleine sitzt. Im Gegensatz zur Höflichkeit hilft uns beim Takt also kein klares, erlernbares Regelwerk. Wir haben bestenfalls die folgende Definition:

Takt besteht darin, auf eine Weise, die dem Einzelfall entspricht, einander unnötige Unannehmlichkeiten zu ersparen.

Takt ist also das Gespür für Bedürfnisse, die eingelassen sind in eine konkrete Situation. Daraus könnte man folgern, dass sich Takt, anders als Höflichkeit, nicht einfordern ließe: Auf welche Regeln sollte man verweisen? Das würde der Forderung ähneln, geschickt oder individuell zu sein.

 

Und doch kann man Takt unter bestimmten Umständen zumindest erwarten. So schreibt Paul Valéry:

„Mit der Zeit bewerten wir unsere Freunde nach der Feinheit ihres Taktgefühls.“

Ein Freund wäre demnach jemand, der erfahren hat, worin wir individuell der Schonung bedürfen, und der sich entsprechend verhält. In einer Freundschaft wäre Taktgefühl die Folge einer geduldigen, wohlwollenden Aufmerksamkeit für Eigenheiten und für die Verletzlichkeiten, die aus ihnen entstehen. Anders als in der Szene mit dem Gentleman wären Esprit oder Geistesgegenwart hier bedeutungslos.

 

Daher ist Takt unter Freunden auch nicht bedroht von jenen Eitelkeiten, die oft die Fähigkeit begleiten, geistreich zu sein.